Unsere Vorstellungen vom Orient sind durch Bilder geprägt. Sie machen aus vielfältigen Ansichten ein einheitliches Bild. Eine besondere Rolle kommt dabei der Fotografie zu. Mit ihrer Erfindung stand dem Abendland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein besonders wirkungsvolles Instrument der visuellen Aneignung zur Verfügung.
Der Orient wurde bereits sehr früh von Photographen erkundet. Francis Frith unternimmt so etwa bereits Mitte der 1850er Jahre eine Reise ins Heilige Land, um die gläubigen Landsleuten mit authentischen Bildern versorgen zu können. Andere Photographen brachten von dort nicht nur Bilder der Ausgrabungen und Monumente, sondern auch Traumbilder mit heim, die die ferne Welt so zeigte, wie sie zu sein hatte: Haremsdamen rauchen Wasserpfeifen, Beduinen durchziehen mit Karawanen die Wüste und Derwische führen ihren traditionellen Tanz auf. Es entstand rasch eine Bilderindustrie, die auch von heimischen Photographen beliefert wurde. Diese produzierten Bilder des eigenen Landes für den europäischen Markt und modellierten Stereotype des Orientalismus.
Die zahlreichen Fotografien aus Ägypten, dem damaligen Palästina, der Türkei und Nordafrika zeigen daher vor allem das, wofür sich die westlichen Besucher besonders interessierten. Sie nehmen das, was ihnen fremd war, in den Blick: das Andere des Okzidents. Es waren zuerst die Jahrtausende alten Monumente und die exotische Landschaft, schließlich die Menschen mit ihren Sitten und Gebräuchen. Die Ausstellung im Bildungsturm der Stadt Konstanz zeichnete mit einer repräsentativen Auswahl von frühen Aufnahmen den Weg der «fotografischen Eroberung» des Morgenlandes nach. Die Ausstellung und der begleitende Katalog, der im Verlag Weissbooks erscheint, gingen zurück auf ein zweisemestriges Projektseminar der Universität Konstanz, das unter der Leitung von Prof. Dr. phil. Felix Thürlemann und Prof. Dr. Bernd Stiegler von Studierenden des Fachbereichs LKM konzipiert und organisiert wurde.
⇨ 03.03.2015, Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
⇨ 03/2015, Bericht in der SWR Landesschau (ab 0:59)