The Theatre of Displacement/Erzwungene Ortswechsel
Das Theater ist seit seinen Ursprüngen in der Antike ein Ort der kollektiven Reflexion und Selbstverständigung, an dem Kunst und Politik eng miteinander verknüpft sind. In diesem Zusammenhang widmete sich das Hauptseminar „The Theatre of Displacement/Erzwungene Ortswechsel: Vertreibung und Flucht auf der Bühne“, das gemeinsam von Prof. Dr. Christina Wald (Anglistik) und Prof. Dr. Juliane Vogel (Germanistik) im Sommersemester 2016 ausgerichtet wurde, der aufgrund der Flüchtlingskrisen des 21. Jahrhunderts hochaktuellen Thematik der Migration, die seit jeher einen zentralen Themenbereich des Dramas und damit ein grundlegendes Narrativ der europäischen Kultur darstellt.
Um die verschiedenen Formen der theatralen Auseinandersetzung mit dieser Problematik aus möglichst vielen Blickwinkeln zu erörtern, verfolgte das Seminar einen diachronen wie interdisziplinären Ansatz. Die ausgewählten Texte reichten von Aischylos‘ Die Schutzflehenden über William Shakespeares As You Like It, Gotthold Ephraim Lessings Emilia Galotti oder Johann Wolfgang von Goethes Proserpina hin zu Zinnie Harris‘ zeitgenössischem Stück How to Hold Your Breath. Dabei rückten nicht nur theoretische Anliegen, sondern auch theaterpraktische Fragen in den Vordergrund der Diskussionen, insbesondere durch den gemeinsamen Besuch der Zürcher Inszenierung von Elfriede Jelineks Die Schutzbefohlenen – einer postdramatischen Bearbeitung von Aischylos Ursprungstext. Die Aufführung erfolgte in Form eines Theaterparcours, an dem verschiedenste Theaterinstitutionen der Stadt beteiligt waren – neben dem Schauspielhaus Zürich auch die Theater Neumarkt, Winkelwiese, Gessnerallee und Rote Fabrik. Die Zuschauer, auf Wanderschaft zwischen den über ganz Zürich verteilten Stationen, übernahmen so selbst eine aktive Rolle im Stück.
Abgerundet wurde das Seminar durch die gemeinsame Teilnahme an der Konferenz „Flucht und Szene“, die von Prof. Dr. Juliane Vogel und Prof. Dr. Bettine Menke (Universität Erfurt) ausgerichtet wurde und im Stadttheater Konstanz stattfand. Über mehrere Tage hinweg diskutierten Forscher aus ganz Deutschland, darunter der einflussreiche Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann, der als erster das Phänomen des sogenannten postdramatischen Theaters beschrieben hat, die Verbindungen zwischen Theater, Flucht und Asyl in ihrer Bandbreite – vom antiken bis zum zeitgenössischen Drama, mit Fokus auf griechisches, deutsches und englisches Theater, aus historischer und aktueller Perspektive sowie aus literatur-, theater- und medienwissenschaftlichen Blickwinkeln.
⇨ Pdf mit dem Tagungsprogramm
Birgit Rucker