Vier Goldscheiben des Konstanzer Münsters

Zu den bedeutendsten kunsthistorischen Objekten des Konstanzer Münsters zählen zweifellos vier große, feuervergoldete Kupferscheiben. Die größte und älteste Scheibe wurde vermutlich bereits im 10. Jahrhundert als Schlussstein der Mauritiusrotunde gefertigt (Kuder, 358). Sie stellt den thronenden Christus dar (Maiestas Domini). Als Schlussstein über dem hl. Grab symbolisiert sie den ... mehr anzeigenZu den bedeutendsten kunsthistorischen Objekten des Konstanzer Münsters zählen zweifellos vier große, feuervergoldete Kupferscheiben. Die größte und älteste Scheibe wurde vermutlich bereits im 10. Jahrhundert als Schlussstein der Mauritiusrotunde gefertigt (Kuder, 358). Sie stellt den thronenden Christus dar (Maiestas Domini). Als Schlussstein über dem hl. Grab symbolisiert sie den Aufstieg Christi in den Himmel und seine Herrschaft über die Erde. Die drei kleineren Scheiben zeigen die beiden Schutzpatrone des Münsters, Konrad und Pelagius, als Halbfiguren sowie einen Adler als Symbol des Evangelisten Johannes. Sie sind ebenfalls feuervergoldet, wurden aber im Gegensatz zur Christusscheibe als plastische Reliefs ausgearbeitet.

Mit Fertigung der kleinen Scheiben wurden alle vier an den Ostgiebel des Münsters versetzt. Sie waren von dort weithin sichtbar. Dass sie auch praktisch die Funktion eines Leuchtturm erfüllen sollten, ist jedoch zweifellos eine Legende. 1973 wurden sie durch Kopien ersetzt und die Originale in der Krypta des Münsters ausgestellt. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 8 - Bildquelle: Birgit Rucker

    1973 angebrachte Kopien der feuervergoldeten Kupferscheiben am Ostgiebel:

    Christusscheibe (zentral), zusammengesetzt aus 6 Einzelteilen, 194,5 cm (Durchmesser), Original um 960
    Konradscheibe (links), 94cm (Durchmesser), Original um 1240/50
    Pelagiusscheibe (rechts), 94cm (Durchmesser), Original um 1240/50
    Adlerscheibe (oben), 90cm (Durchmesser), Original um 1240/50

  • Abb. 2 von 8 - Bildquelle: Swantje Würth

    Die Christusscheibe besteht aus sechs feuervergoldeten Kupferblechen mit einer Dicke von 0,5 bis 1,5 Millimetern, die auf einem Holzträger mit 154 Eisennägeln fixiert wurden. Spuren von Werkzeugen, Nachvergoldungen und Beschädigungen wie umgeknickte Kanten und Risse zeugen von einer langen Restaurierungsgeschichte der über 1000 Jahre alten Scheiben (Kuder 2013, 358-361)(Hubert / Blumer 2013, 362-365).

  • Abb. 3 von 8 - Bildquelle: Steffen Bogen

    Christusscheibe - Detail

    Bei der Feuervergoldung der Scheiben wird eine Braunfirnisschicht aus Leinölbasis als Reserviermittel verwendet. Dort wo die Kupferplatte vergoldet werden soll, wird der ausgehärtete Firnis wieder abgeschabt (Hubert / Blumer 2013, 373-419). Dann wird ein Goldamalgam (Quecksilberlegierung) auf der Kupferplatte erhitzt. Der Quecksilberanteil verdampft und das Gold verbindet sich an den frei gelegten Stellen mit der Kupferoberfläche. Der bekannte Glanz des goldgelben Metalls entsteht erst nach Polieren der rauen Oberfläche. (Van der Meer 1971, 136-142)

  • Abb. 4 von 8 - Bildquelle: via Wikimedia Commons (gemeinfreie Nutzung / Public Domain)

    Codex Amiatinus, fol. 796v, Biblioteca Medicea Laurenziana, Florenz um 700

    Das Bildschema der Maiestas Domini nimmt auf Visionen des AT Bezug. Jesaja 66,1 spricht vom Himmel als Stuhl und der Erde als Fußbank Gottes. Das Feuer und der helle Schein, die nach Ezechiel 1, 26-28 von der menschlichen Gestalt Gottes ausgehen, sind in der Konstanzer Scheibe bereits im Material und der Darstellungstechnik verkörpert. Das Holz, das für die Erde steht, bildet ein Pendant zum glänzenden, im Feuer aufgetragenen Gold, das den Himmel und das Göttliche repräsentiert.

  • Abb. 5 von 8 - Bildquelle: Swantje Würth

    Christusscheibe - Detail mit Buch und Inschrift

    Auf den Seiten des Buches, das Christus vorweist, ist ein Bibelvers aus dem Matthäus-Evangelium zu lesen: VENITE AD ME OM(NE)S QUI LABOR(A)TIS ET EGO REFICIA(M) VOS (Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken). Wie ein gütiger Vater ruft er die Menschen mit ihren Sorgen zu sich. Über dem Hl. Grab, im Scheitel der Mauritiusrotunde angebracht, versprach der thronende Christus des Goldscheiben den Gläubigen die Auferstehung in den Himmel.

  • Abb. 6 von 8 - Bildquelle: Swantje Würth

    Konradscheibe

    Die Konradscheibe weist Spannungsrisse auf, die auf eine starke Nachbearbeitung der Feuervergoldung hinweisen (Kuder 2013,366-372) (Hubert / Blumer 2013, 373-419). Der heute eher gesichtslose Heilige verfügte ehemals – neben dem noch vorhandenen Kinnstrich, den Augenhöhlen und den Konturen der Nase – zumindest über die Zeichnung eines Mund.

  • Abb. 7 von 8 - Bildquelle: Swantje Würth

    Pelagiusscheibe

    Auch das Brustbild des zweiten Heiligen zeichnet sich durch tiefe Binnenlinien aus. Es handelt sich um Pelagius, den ältesten Schutzpatron des Münsters, der sich anhand seines Attributes, des Palmzweigs, als Märtyrer identifizieren lässt.

  • Abb. 8 von 8 - Bildquelle: Swantje Würth

    Evangelistenscheibe

    Die vierte Scheibe, die das Tiersymbol des Evangelisten Johannes abbildet, ist noch plastischer gearbeitet. Die Krallen zeigen, dass es sich um einen Greifvogel und Adler handeln soll. Die Binnenscheibe wurde durch einen zusätzlich angebrachten Strahlenkranz an die Größe der Heiligenscheiben angepasst.