Abb. 1 von 8 - Bildquelle: Carina Kaminski
Heiliges Grab, ca. 1260, Miniaturzentralbau aus Stein mit Figurenschmuck, in der Mauritiusrotunde beim Konstanzer Münster unserer lieben Frau.
Abb. 2 von 8 - Bildquelle: Eileen Ehringer
Die Verkündigungsszene befindet sich links neben dem Portal des Heiligen Grabes und zeigt den lächelnden Engel Gabriel, der mit Lilienzepter und Spruchband Maria die frohe Botschaft überbringt, dass sie Gottes Sohn zur Welt bringen wird. Die Botschaft ist auf seinem Spruchband verewigt. Maria hebt, wie in leichtem Erschrecken begriffen ihre Rechte, während sie in Richtung Himmel blickt. Die Figuren sind einander zugewandt und der Engel adressiert Maria mit seinem Blick, sodass deren Zusammengehörigkeit deutlich wird. (Reiners 1955, S. 503)
Abb. 3 von 8 - Bildquelle: Eileen Ehringer
Die nächste Szene zeigt die Heimsuchung, also die Begegnung der beiden schwangeren Frauen Maria und Elisabeth und zugleich auch die erste Zusammenkunft ihrer ungeborenen Söhne Jesus und Johannes des Täufers. Die Frauen, die sich hier mit erhobener linker Hand gegenübertreten, sind sich ebenfalls zugewandt. Sowohl Marias gleichbleibende Physiognomie als auch ihre Gewänder tragen dazu bei, dass sie im gesamten Zyklus als Mutter Gottes wiedererkannt werden kann. (Reiners 1955, S. 504)
Abb. 4 von 8 - Bildquelle: Eileen Ehringer
Die Geburt Christi ist szenisch anders aufgebaut als die vorangegangenen Figurengruppen: Maria wird zusammen mit dem in Windeln gewickelten Jesuskind, einem Ochsen und einem Esel auf nur einem Dienstbündel als Sockel gezeigt. Sie sitzt auf einem mit Gewändern bedeckten Felsen, während das Kind und die Tiere über ihrem Kopf verkleinert dargestellt sind, als befänden sie sich perspektivisch gesehen im Hintergrund. Die Figur des Joseph findet auf dem ihr gegenüberliegenden Dienst seine Aufstellung und wendet sich seiner Frau sinnend zu.
Abb. 5 von 8 - Bildquelle: Pauline Bodinek
Bei der Anbetung der Könige ist die Marienfigur entscheidend verändert. Wie zuvor scheint sie zwar auch hier in schwere Stoffe mit weich gerundeten Falten gehüllt. Eine gleichbleibende Physiognomie ermöglicht das Wiedererkennen. Allerdings ist Maria hier bekrönt und in weitaus hoheitsvollerer Haltung dargestellt, was ihre spätere Stellung als Himmelskönigin andeutet. (Sachs 1973, S. 246) An dieser Stelle kann sich der Betrachter zusammen mit den Königen in entgegengesetzter Richtung vom Eingang der Rotunde her an Maria annähern.
Abb. 6 von 8 - Bildquelle: Carina Kaminski
Auch im Inneren finden wir szenische Darstellungen. Hier sind die drei Marien (wobei es sich nicht um „die“ Maria handelt) während des Salbenkaufs beim Apotheker zu sehen, eine Szene, die im Mittelalter während der liturgischen Feier am Ostermorgen nachgespielt wurde. Die Marien mit den Salbgefäßen nähern sich von rechts dem Engel, der ihnen das leere Grab zeigt und die Auferstehung Christi verkündet. Die in der Plastik selten verbildlichte Szene legt den Fokus des inneren Figurenprogramms konträr zum äußeren auf die Auferstehungsgeschichte. (Kurmann 1986, S. 75)
Abb. 7 von 8 - Bildquelle: Carina Kaminski
Insgesamt übernehmen die Mariendarstellungen am Heiligen Grab die tragende Rolle in der skulpturalen Umsetzung der Geschichte Christi von der Heilsverkündung bis zur Heilsgewissheit. Hierbei wirkt die Mimik der Marienfiguren besonders beseelt, innig und gemütvoll und erinnern stark an französische Plastiken aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Allerdings sind die Frauenfiguren im Inneren im Gegensatz zu den Außenplastiken mit einem leicht pantomimischen Ausdruck versehen. (Kurmann 1986, S.79)
Abb. 8 von 8 - Bildquelle: Pauline Bodinek
Abgesehen von den Szenen des Marienlebens weist auch die Grabarchitektur eine Analogie zu Maria auf: In der Karwoche werden im Inneren die geweihten Hostien aufbewahrt, die den Leib Christi verkörpern. Das Grab fungiert als dessen Hülle und kann daher metaphorisch für den Schoß der Gottesmutter stehen. In diesem Sinne verweist der Bau selbst auf Maria, was auf das gesamte Münster übertragen werden kann: das Münster Unserer Lieben Frau soll wie Maria selbst zum Gefäß für den Gottessohn werden.