Das Chorgestühl – Schauen und Entdecken

Auch für Nichtbibelkundige bietet das Chorgestühl ein breites Spektrum an kunstfertigen Details und viel Interessantes zu entdecken an. Die Vielfältigkeit in der Darstellung der einzelnen Figurengruppen und des Reliefschmucks an den Wangen zeigt das große Können der Bildschnitzer und Tischmacher auf. Vom filigranen Baldachin und seinen wunderschönen Heiligenfiguren bis hin zum ... mehr anzeigenAuch für Nichtbibelkundige bietet das Chorgestühl ein breites Spektrum an kunstfertigen Details und viel Interessantes zu entdecken an. Die Vielfältigkeit in der Darstellung der einzelnen Figurengruppen und des Reliefschmucks an den Wangen zeigt das große Können der Bildschnitzer und Tischmacher auf. Vom filigranen Baldachin und seinen wunderschönen Heiligenfiguren bis hin zum Wangenschmuck und den Miserikordien wird der Betrachter dazu angeregt das Gestühl zu erkunden und seinen Blick wandern zu lassen. Ob die traditionellen Rollen eines Motivs im heilsgeschichtlichen Bildprogramm erkannt werden oder nicht, hängt vor allem vom Wissen und Bildungshorizont des Publikums ab. Um die Feinheiten und versteckten Highlights zu bemerken, ist vor allem eine lebendige Phantasie und intensive Beobachtung der Figuren von Nöten. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Werkstatt Simon Haider: Chorgestühl des Konstanzer Münsters, Eiche, ab 1467. Hier abgebildet ist die Wangenbekrönung, die Samson mit dem Löwen zeigt.

  • Abb. 2 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Der an der Nordseite zu findende Schriftzug konnte bisher weder vollständig entziffert noch gedeutet oder zugeordnet werden.

  • Abb. 3 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Die Gestühlswange zeigt ein feines Blattornament. Bei genauerer Betrachtung sind mehrere, mit dem Ornament verschlungene Gesichter auszumachen, deren Entdeckung jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit der Darstellung erfordert. Wie viele Gesichter können Sie entdecken?

  • Abb. 4 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Kaum merklich hebt sich das geschnitzte Gesicht vom Blattornament ab.

  • Abb. 5 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Die einzelnen Gesichter sind individuell und unterscheiden sich voneinander durch ihre Physiognomie und Ausrichtung innerhalb des Ornaments.

  • Abb. 6 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Neben dem Wangenschmuck, in dem bei einer eingehenden Betrachtung immer neue Figuren auftauchen, sind primär die Bekrönungen darauf angelegt das Ganze durch eine aktive und neugierige Betrachtung zu erfassen. Ein Perspektivwechsel ist dazu von Nöten. Einige Figuren sind von der Westseite, andere von der Ostseite her zu betrachten. Von der Westseite kommend, erkennt man den im Buch schreibenden Papst mit ihm zu Füßen liegenden Tiara...,

  • Abb. 7 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    ... die von der Ostseite zu sehende Gegenansicht offenbart den aus dem Buche lehrenden Bischof.

  • Abb. 8 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Nähert man sich dem Chorgestühl vom Mittelschiff aus, erwecken die beiden Figuren (möglicherweise Joab und Abner; Samuel II, 3,27) den Eindruck sich zu küssen. Erst beim Umgehen und dem damit verbundenen Perspektivwechsel eröffnet sich dem Betrachter die eigentliche Darstellung, die eines hinterlistigen Erdolchens.

  • Abb. 9 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Die Wangenbekrönung, die einen Engel zeigt, der einen Knaben am Kopf fasst und zum tödlichen Schlag mit dem Langschwert ausholt, ergibt sich aus vielen kleinen Details, wie beispielsweise…

  • Abb. 10 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    ...der kleinen Nebenszene zu Füßen des Engels. Dessen Schwert hat bereits zuvor eine Person geköpft.

  • Abb. 11 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Gegensätzlicher könnte die Darstellung der zweiten Nebenfigur kaum sein. Neugierig schaut sie dem Todgeweihten unter das Gewand. Das Motiv des Racheengels wird um ein Nebenmotiv mit ironischem Unterton erweitert.

  • Abb. 12 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Der Hl. Georg bezwingt den Drachen. Der tödliche Lanzenstoß ist jedoch von der Westseite her nicht deutlich zu erkennen. Erneut ist es erforderlich auch die Gegenseite in Augenschein zu nehmen.

  • Abb. 13 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Hier sieht man den auf der Gegenseite durch den Körper des Ritters verdeckten todbringende Lanzenstoß, sowie das Gesicht der hinter dem Hl. Georg knienden Königstochter.

  • Abb. 14 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Die Wangenbekrönung zeigt den Hl. Hieronymus. Über ein Lesepult gebeugt, hält er die rechte Tatze eines Löwen, aus der er der Überlieferung nach einen Dorn zieht. Der Löwe lässt die Prozedur mit Schmerz verzogener Miene über sich ergehen. Dass alles so friedlich bleibt ist nur aus der gezeigten Perspektive zu erkennen. Erneut wird dazu animiert, den Betrachterstandpunkt zu wechseln.

  • Abb. 15 von 15 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    An der östlichen Abschlusswange der Nordseite, etwas abseits vom übrigen Chorschmuck, sind über dem Relief Vertreibung aus dem Paradies die Halbfiguren des Hl. Konrad und des Hl. Pelagius vorzufinden. Exemplarisch lassen sich hier die unterschiedlichen Grade an Körperlichkeit beobachten, die systematisch eingesetzt sind. Während die überraschenden Kippfiguren und Mischwesen des Wangenschmucks im Hochrelief an Plastizität gewinnen, sind die Körper der Kirchen-und Stadtpatrone zarte, ins Graphische zurückgenommene Erscheinungen, die in den Grund einzutauchen scheinen.