Das Westportal – Werkgeschichte und Meisterfrage

Die Portalflügel wurden deutlich sichtbar datiert und signiert. In großen Lettern nennt die Inschrift der rechten Eingangstür das Jahr der Entstehung 1470 (ANNO XPI MILLESIMO CCCCLXX), die Linke den Namen des Konstanzer Tischmachers und Zunftmeisters Simon Haider (SYMON HAIDER ARTIFEX ME FECIT – der Künstler Simon Haider hat mich gemacht). Dieser war jedoch nicht, wie lange aufgrund der ... mehr anzeigenDie Portalflügel wurden deutlich sichtbar datiert und signiert. In großen Lettern nennt die Inschrift der rechten Eingangstür das Jahr der Entstehung 1470 (ANNO XPI MILLESIMO CCCCLXX), die Linke den Namen des Konstanzer Tischmachers und Zunftmeisters Simon Haider (SYMON HAIDER ARTIFEX ME FECIT – der Künstler Simon Haider hat mich gemacht). Dieser war jedoch nicht, wie lange aufgrund der Bezeichnung artifex (Künstler) angenommen, der Schnitzer, sondern der Unternehmer, in dessen Werkstatt die Türen angefertigt wurden. Nach der Zunftordnung war es einem Tischmacher nicht gestattet Bildwerke zu schnitzen, infolgedessen mussten, wie auch beim Chorgestühl, Bildschnitzer hinzugezogen oder die schöpferische Ausführung den eigenen Gesellen überlassen werden. Wer diese genau waren, ist nicht bekannt. Der berühmte niederländische Bildhauer Niclaus Gerhaert von Leyden kommt aus stilistischen und chronologischen Gründen als Urheber nicht in Frage (Reiners 1955, 368 ff.). Vermutlich gehen die Schnitzereien auf Haiders Sohn Hans und dessen Schwager Heinrich Yselin zurück, die beide Mitarbeiter der Haiderschen-Werkstatt waren (Hubert 2013, 262). Demzufolge konnte Simon Haider, weil aus seiner Werkstatt stammend, das Portal dennoch mit seinem eigenen Namen versehen lassen. Ihm selbst wird das feine Rahmenwerk zugeschrieben, dieses zeigt auf, dass seine Fertigkeiten weit über das Niveau eines einfachen Schreiners bzw. Tischmachers hinausgingen (Gröber 1914, 59). weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 4 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Werkstatt Simon Haider: Brustbilder des Hl. Konrad (oben) und des Hl. Pelagius (unten) am Westportal des Konstanzer Münsters, ca. 1470. Nussbaumholz, jedes Portal 4,05m x 1,45m.

  • Abb. 2 von 4 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Unter der mittellateinischen handwerklichen Berufsbezeichnung artifex wurde im Mittelalter eine Person verstanden, die im Gegensatz zu Gelehrten handwerklich arbeitete und materiellen Gegenständen eine Form gab. Ihre Tätigkeit zählte zu den mechanischen Künsten (artes mechanicae) (Rüffer 2014, 112). In der Formel „me fecit“ scheint das Werk seinen Urheber selbst anzusprechen. Durch die nachträgliche Platzierung des Pelagius über der Inschrift wird die Signatur noch einmal aufgewertet (Rüffer 2014, 137).

  • Abb. 3 von 4 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Brustbild Hl. Konrad

    Die Brustreliefs weisen eine freie und gelöste Form auf. Dehio (Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler III) verlegt sie nicht in die Zeit um 1470, sondern datiert sie später, ca. auf das Jahr 1500. Tatsächlich ist damals die Rahmenform angepasst worden und im Zuge dessen die Steinrahmung entstanden. Simon Haider war als Werkstattinhaber längst verstorben und kommt für die Ausarbeitung der Brustreliefs nicht in Frage, wohl aber sein Sohn Hans und dessen Schwager Heinrich Yselin (Gröber 1914, 60).

  • Abb. 4 von 4 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Aufgrund von Diskrepanzen bei Bildaufbau, Figurenkomposition und Erzählstil wird vermutet, dass die Reliefs von verschiedenen Meistern stammen. Die Trennung ist jedoch nicht überall mit Sicherheit durchzuführen. Besonders deutlich werden die Unterschiede in Proportionierung und Anordnung der Figuren jedoch im Vergleich der Relieftafeln Bethlehemitischer Kindermord (links) und Auferweckung des Lazarus (rechts). Während die Figuren des Kindermords in einer Kastenbühne zusammengedrängt sind, erscheinen sie bei der Auferweckung flächiger im Bildraum verteilt (Reiners 1955, 365).