Das Westportal – Stil und Komposition

Der monumentale Bilderzyklus setzt sich aus mehreren Bibelszenen zusammen. In den meisten Reliefs entwickelt sich die Erzählung in Frontalsicht auf die dargestellten Personen, nur die Auferweckung des Lazarus, Magdalena salbt die Füße des Herrn, das letzte Abendmahl und der Marientod sind in starker perspektivischer Aufsicht wiedergegeben. Häufig stehen die Figuren, die etwas mehr als die ... mehr anzeigenDer monumentale Bilderzyklus setzt sich aus mehreren Bibelszenen zusammen. In den meisten Reliefs entwickelt sich die Erzählung in Frontalsicht auf die dargestellten Personen, nur die Auferweckung des Lazarus, Magdalena salbt die Füße des Herrn, das letzte Abendmahl und der Marientod sind in starker perspektivischer Aufsicht wiedergegeben. Häufig stehen die Figuren, die etwas mehr als die Hälfte der Höhe des Relieffeldes einnehmen, auf einer nach vorne hin abgeschrägten Bodenkante und befinden sich entweder vor einem fiktiven, raumvortäuschenden Landschaftshintergrund mit Architekturkulisse oder innerhalb einer Räumlichkeit (Hubert 2013, 262). Die Landschaft scheint jedoch ein zentrales Thema zu sein, wie vor allem am Beispiel des Marientodes zu beobachten ist. Das von den Aposteln umringte Sterbebett Marias befindet sich nicht, wie anzunehmen wäre, innerhalb einer Behausung, sondern inmitten einer Landschaft. Die auf Klippen thronende Stadtkulisse ist auch hier wieder allgegenwärtig.

Die Szenen sind symmetrisch gegliedert, die Bäume dienen als tektonisch ordnendes Beiwerk (Reiners 1955, 370). Sie sind nicht im Flachrelief, sondern ebenso wie die Figuren und Landschafts-bzw. Architekturdetails plastisch im Halbrelief hervorgewölbt. Weitestgehend verweilen die Figuren innerhalb der Rahmung, nur partiell ragen Gewänder oder Gliedmaßen minimal über das Bildfeld hinaus. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 6 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Werkstatt Simon Haider: Relieftafeln am linken Flügel des Westportals des Konstanzer Münsters, ca. 1470. Nussbaumholz, jede Relieftafel 32cm Breite x 42cm Höhe x 7,5cm Tiefe.

  • Abb. 2 von 6 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Am unteren Bildrand verschmelzen die drapierten Gewänder der Figuren mit dem Untergrund auf dem sie stehen. Beide sind nicht mehr optisch voneinander zu trennen. Andererseits ist besonders am vermeintlichen Strohdach des Stalls, der Steinoptik der Klippen oder am Haar der Jungfrau Maria zu beobachten, wie mittels unterschiedlicher Bearbeitung des Nussbaumholzes versucht wurde, verschiedenste Materialität zu fingieren.

  • Abb. 3 von 6 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Die Figuren befinden sich, wie bei Verkündigungsdarstellungen üblich, innerhalb eines Raumes. Bei genauerer Betrachtung sind hinter der Jungfrau Maria und Erzengel Gabriel fünf Rundbogenfenster auszumachen. Diese geben den Blick auf eine fiktive, von Bäumen gesäumte Landschaft frei. Es wird ein "Hinter" der Bildtafel suggeriert.

  • Abb. 4 von 6 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Im Gefolge der Taube (als Symbol des Heiligen Geistes) entweicht Christus als Fleisch gewordenes Wort dem Mund Gottes und fährt durch den Schlussstein des in der Verkündigung dargestellten Kreuzrippengewölbes, das Kreuz in den Händen haltend, zur Jungfrau Maria hinab. Sowohl der gegenwärtige Moment der Verkündigung durch den Engel, als auch die zukünftige Empfängnis (das Jesuskind hat Maria noch nicht erreicht) sind im Relief dargestellt und somit verschiedene zeitliche Perspektiven zusammengefasst.

  • Abb. 5 von 6 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Christus fährt in den Himmel auf, es sind nur noch seine Füße zu sehen. Sein restlicher Körper ist bereits in die Wolken und somit in den Himmel entschwunden. Dieser für die Himmelfahrt Christi gängige Bildtypus erzeugt den Anschein einer Aufwärtsbewegung bzw. von Dynamik in einem sonst recht statischen Bildgefüge.

  • Abb. 6 von 6 - Bildquelle: Ivona Maric, Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Milena Becker.

    Eine gewisse Dynamik ist auch dem Reliefbild Einzug nach Jerusalem immanent. Christus reitet auf einem Esel nach Jerusalem ein. Um diesen Vorgang zu verdeutlichen, wurde das Tier in Bewegung dargestellt. Da sich sein Schweif nicht vollständig innerhalb des Bildfeldes befindet und bewusst nicht gänzlich zur Darstellung gebracht worden ist, wird der dynamische Prozess des Reitens von links nach rechts hervorgehoben.