Das Chorgestühl – Meisterfrage

Im Jahr 1465 wurde dem berühmten niederländischen Bildhauer Niclaus Gerhaert von Leyden vom Konstanzer Domkapitel der Auftrag erteilt, das Chorgestühl mit einem bildnerischen und ornamentalen Schmuck auszustatten (Reiners 1955, 347). Bei der Abrechnung der von Gerhaert in Konstanz geleisteten Arbeit für den Altaraufsatz kam es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten mit den Auftraggebern. ... mehr anzeigenIm Jahr 1465 wurde dem berühmten niederländischen Bildhauer Niclaus Gerhaert von Leyden vom Konstanzer Domkapitel der Auftrag erteilt, das Chorgestühl mit einem bildnerischen und ornamentalen Schmuck auszustatten (Reiners 1955, 347). Bei der Abrechnung der von Gerhaert in Konstanz geleisteten Arbeit für den Altaraufsatz kam es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten mit den Auftraggebern. Gerhaert stellte neben der vertraglich vereinbarten Summe von 200 Gulden eine Nachforderung, diese lehnte das Kapitel zunächst ab. Im Straßburger Prozess von 1467 einigte man sich zwar auf eine Nachzahlung in Höhe von 50 Gulden, Gerhaert wurde der Auftrag jedoch entzogen (Schindler 1983, 29) und an die Konstanzer Werkstatt von Simon Haider übergeben. Haider, in erster Hinsicht Tischler, war es der Zunftordnung nach nicht gestattet Bildwerke zu schnitzen. Infolgedessen mussten für die plastischen Arbeiten und Schnitzereien Bildhauer zur Mitarbeit hinzugezogen werden (Reiners 1955, 348). Die kistlermäßige (Kistler=Schreiner) Ausführung wird Simon Haider und seinem Sohn Hans zugeschrieben, das Ornamentale und Figürliche und somit die reichen Schnitzarbeiten an Wangen, Baldachinen und Reliefbüsten lag vermutlich in den Händen der als Bildschnitzer ausgebildeten Schwiegersöhne Haiders, Heinrich Yselin und Hans Hencke (Schindler 1983, 29). So ergibt sich jedoch die Frage, in wie weit und ob überhaupt Gerhaert Anteil an der Ausführung des Gestühls gehabt hatte. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 4 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Filigraner Baldachin mit gotischem Maßwerk, Werkstatt Simon Haider: Chorgestühl des Konstanzer Münsters, Eiche, ab 1467.

  • Abb. 2 von 4 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Um das umfangreiche Bildprogramm des Chorgestühls zu fertigen, bedienten sich die Bildschnitzer verschiedenster spitzer Werkzeuge und bildhauerischer Techniken. Mit Kraft und Geschick, durch Sägen, Hobeln und Schnitzen wurde auf das hölzerne Material eingewirkt. Einige der auf den Gestühlwangen abgebildeten Szenen können als (indirekte) Referenz und grobe Umkehrung dieser Tätigkeit gesehen werden. Diese Westwange zeigt zum Beispiel Jahel, die dem vor ihr knienden und schlafenden Ritter Sisara mit einem Holzhammer einen Keil ins Auge treibt.

  • Abb. 3 von 4 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Bei Jahel tötet Sisara wird auf die Bearbeitung des Holzes mittels Klopfholz und Stemmeisen (Werkzeuge zum Schnitzen) verwiesen. Bei der Steinigung Achors rufen das dargestellte Ausholen des Peinigers und der gleichsam am Kopf „klebende Stein“ weitere Analogien zu grundlegenden Handgriffen des Bildhauers wie Hämmern oder Polieren in Erinnerung.

  • Abb. 4 von 4 - Bildquelle: Claudia Heim und Milena Becker, bearbeitet von Claudia Heim

    Weitere Zusammenhänge sind an der Westwange des unteren Durchgangs der südlichen Chorseite zu entdecken. Die Bekrönung der Wange zeigt den Brudermord. Erneut wird ausgeholt, in diesem Fall sogar mit einem Werkzeug, der Axt.