Nikolauszyklus – Ikonographie

Die heutige Schatzkammer ist im Anschluss an die obere Sakristei in der gotischen Bauphase des frühen 14. Jh. entstanden und nimmt den westlichen Teil des oberen Kreuzganggeschosses ein (Konrad 2013, 136). Neben einigen Objekten des Münsterschatzes, welche die Unbilden der Zeiten überdauern konnten, beherbergt die rechteckige Kapelle an der Südwand ein weiteres Kleinod in Gestalt von ... mehr anzeigenDie heutige Schatzkammer ist im Anschluss an die obere Sakristei in der gotischen Bauphase des frühen 14. Jh. entstanden und nimmt den westlichen Teil des oberen Kreuzganggeschosses ein (Konrad 2013, 136). Neben einigen Objekten des Münsterschatzes, welche die Unbilden der Zeiten überdauern konnten, beherbergt die rechteckige Kapelle an der Südwand ein weiteres Kleinod in Gestalt von Wandmalereien.

Die Ausmalung mit dem Nikolaus-Zyklus erfolgte nicht direkt im Zuge der Erbauung der Kapelle. Stilistische Datierungen der Forschung bewegen sich zwischen 1410 und 1431 (Konrad 2013, 136; Reiners 1955, S. 259f.), wobei Conrad Gröber z.B. einen Zusammenhang mit der Gründung der Konstanzer Nikolausbruderschaft am 24. März 1431 vermutete (Gröber 1948, 189f.). Auch eine Zuschreibung an einen Künstler ist nicht eindeutig möglich, es werden diverse Konstanzer Maler der Zeit sowie Wandermaler in Betracht gezogen (Konrad 2013, 138).

Der Hauptzyklus fasst in zwei Registern insgesamt zwölf Szenen aus dem Leben des hl. Nikolaus von Myra (270-342 n. Chr.). Die Bilderreihe erzählt über einen multiszenischen, aber „distinguierenden Erzählstil“ (Wickhoff 1895, 13-20 u.a.; Rehm 2004, 163f.; Kemp 2011, 63; Karpf 1994, 13ff.), indem mehrere Episoden der Heiligenbiographie im chronologischen Nebeneinander der Bildfelder über zwei Register in Leserichtung dargestellt werden. Dabei wird der Protagonist Nikolaus in jedem Bildfeld abgebildet. Der Fokus der Darstellung liegt auf der Nothelferfunktion des Heiligen, der Patron u.a. der Schiffer, Fischer, Kinder, Gefangenen und ‚heiratslustigen‘ Mädchen ist (Petzoldt 2015, 51). Eingebunden sind die Szenen in ein Rahmensystem, an dessen Unterkante eine gemalte Fransenborte den Eindruck erweckt, es handele sich bei dem gemalten Zyklus um einen Wandteppich (Konrad 2013, 136).

Die Schatzkammer kann nur auf Anfrage oder im Rahmen einer Führung besichtigt werden.

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  • Abb. 1 von 4 - Bildquelle: Vanessa Grimm, Lara Kiolbassa

    Nikolauszyklus, diverse Konstanzer Maler, Ausmalung in Tempera, zwischen 1410 und 1431

    Ein datierter Schlussstein weist auf die Einwölbung der ursprünglichen flachen Holzdecke der Kapelle 1451 hin. Durch den Einzug des Gewölbes wurden die Wandmalerei in diesen Bereichen massiv beschädigt, wobei Teile des ikonographischen Programms verloren gingen und heute nur noch aus der Sukzession der Bildfelder rekonstruiert werden können. Zudem wurde die Wandmalerei 1680 übertüncht und 1877 wieder aufgedeckt, wobei Fehlstellen häufig verfälschend nachgestaltet wurden. 1988 bemühte man sich dann um eine Angleichung durch neutrale Retuschen (Gröber 1948, 185-191; Konrad 2013, 136ff.; Reiners 1955, 259)

  • Abb. 2 von 4 - Bildquelle: Vanessa Grimm, Lara Kiolbassa

    Nikolauszyklus - Säuglingswunder
    (Klicken Sie auf das Bild für eine Gesamtansicht des ersten Registers)

    Im oberen Register werden Etappen im Leben des Heiligen bis zur Priester- (Bildfeld 5, hier 2. Bild untere Zeile) und Bischofsweihe (Bildfeld 6, hier 3. Bild untere Zeile) dargestellt. Den Auftakt bildet das ‚Säuglingswunder‘, bei welchem der neugeborene Nikolaus beim ersten Bade zum Gebet niederkniet. In der zweiten Szene ist er als Jugendlicher im Gebet in einer Kirche dargestellt. Im dritten wird gezeigt, wie Nikolaus Goldkugeln an drei Jungfrauen verschenkt, die aus Armut nicht mit einer Mitgift ausgestattet werden konnten und ansonsten der Prostitution preisgegeben wären, woraufhin sich der Vater im vierten Bildfeld bedankt. (Gröber 1948, 185f.)

  • Abb. 3 von 4 - Bildquelle: Vanessa Grimm, Lara Kiolbassa

    Nikolauszyklus - Rettung von Pilgern
    (Klicken Sie auf das Bild für eine Gesamtansicht des zweiten Registers)

    Im unteren Register ist zunächst die Rettung von Pilgern vor einem Seesturm dargestellt. Im achten Bildfeld bittet Nikolaus während einer Hungersnot ein Handelsschiff um eine Kornspende. Dessen Ladungsgewicht verringert sich nicht, während in Myra das entnommene Korn zwei Jahre ausreicht. In der Lesbarkeit beeinträchtigt sind die Szenen zur Rache der Göttin Diana: Da Nikolaus einen ihr geweihten Baum umschlagen ließ, fordert sie Pilger auf, seine Kirche mit Öl zu bestreichen. Von Nikolaus gewarnt gießen diese das Öl jedoch ins Meer, das in Flammen aufgeht. Weiterhin ist die Errettung Unschuldiger vor der Hinrichtung zu sehen, während das letzte Bildfeld dem Tod des Heiligen gewidmet ist. (Gröber 1948, 186ff.)

  • Abb. 4 von 4 - Bildquelle: Vanessa Grimm, Lara Kiolbassa

    An der Westseite setzt sich die Wandbemalung auf irritierende, uneinheitliche Weise fort: Zu sehen ist die übergroße Darstellung des hl. Onuphrius – möglicherweise als Riese – im typischen Laubkleid, der als Einsiedler sein Leben in strenger Askese und Frömmigkeit verbracht hat (Kaster 2015, 83-87). Rechterhand des Fensters sind Fragmente von vier Bildfeldern zu erkennen, die die wundersame Wiedererweckung eines im Schlaf durch seinen habgierigen Herbergsvater enthaupteten Pilgers durch den heiligen Nikolaus zeigen (Konrad 2013, 138).