Schnegg – Ikonographie

Der ‚Schnegg‘, eine Kleinarchitektur aus dem 15. Jh., zählt zweifellos zu den kuriosesten Ausstattungsobjekten des Münsters, das insbesondere in Hinblick auf seine ursprüngliche Funktion und Verortung eine Reihe an Fragen aufwirft. In der Tour ‚Stilgeschichte‘ können seine Baugeschichte und Architektur erkundet werden, wohingegen nun der Fokus auf die ikonographischen ... mehr anzeigenDer ‚Schnegg‘, eine Kleinarchitektur aus dem 15. Jh., zählt zweifellos zu den kuriosesten Ausstattungsobjekten des Münsters, das insbesondere in Hinblick auf seine ursprüngliche Funktion und Verortung eine Reihe an Fragen aufwirft. In der Tour ‚Stilgeschichte‘ können seine Baugeschichte und Architektur erkundet werden, wohingegen nun der Fokus auf die ikonographischen Darstellungen in Bauskulptur und Reliefplastik gelegt werden soll.
Acht attributlose Prophetenfiguren mit üppigen Bärten und Schriftbändern, die uns aufgrund des schlechten Überlieferungszustandes die genaue Identität der jeweiligen Figur nicht mehr preisgeben können, thronen in drei Paaren und zwei Einzelfiguren unter Baldachinen auf den Eckkonsolen der Brüstung. Diese ist mit einigen plastischen Reliefszenen ausgestaltet, die Episoden des Alten und Neuen Testaments erzählen. Links ist die alttestamentarische Szene um den Propheten Gideon (Ri 6, 36-40) dargestellt, der im Zweifel an seiner göttlichen Berufung zur Errettung der unterdrückten Israeliten Gott zweimalig bittet, ihm ein Zeichen zu senden, indem er ein Widderfell mit Tau benetzt. Mittig links findet sich eine Darstellung der Verkündigung an Maria, gefolgt von der Geburt Christi im nächsten Bildfeld. Abgeschlossen wird die Bildserie durch eine Darstellung von Moses, dem Gott in einem brennenden Dornbusch erscheint und ihn beauftragt, das unterdrückte Volk Israel aus Ägypten herauszuführen (Gröber 1948, 192-195).

Wenden wir nun den Blick der jeweiligen Spezifik in der Komposition, der Stilistik und dem Umgang mit dem jeweiligen Bildfeld zu, welche die Inszenierung der einzelnen Bibelsequenzen auszeichnen. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 5 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Auf den Gesimsecken sind Hundeplastiken zu finden, die Wasserspeier imitieren. Diese entbehren durch ihre Verortung im Innenraum des Nordschiffs jeglicher Funktionalität. Sie agieren – analog zu den Konsolplastiken der Franz-Xaver-Kapelle – als untergeordnete, negativ konnotierte Antipoden zu den über ihnen thronenden prophetischen Protagonisten (Gerlach 2015, 334f.). Die Hunde sind hier Symboltiere des Neides, der Unzucht und Unkeuschheit (Dinzelbacher 2014, 113), sodass sie auch zu dem ikonographischen Hauptprogramm der Brüstungsplatten in Kontrast treten, welches die Keuschheit und Jungfräulichkeit Mariens verhandelt.

  • Abb. 2 von 5 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Die Gideon-Szene besticht durch eine dynamischere Komposition und naturalistische Individualisierung seiner Krieger in Körperhaltung und Aussehen. Auch der Umgang mit dem Relieffeld ist lebendig gestaltet: Die Gefolgschaft drängt sich links ehrfürchtig über den Bildrand hinaus, die Gloriole Gottes überschreitet wie der Feind der Israeliten und das Widderfell rechts unten die Bildgrenzen.

  • Abb. 3 von 5 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Vergleichbar werden auch in der Verkündigungsszene die Bildgrenzen verschliffen, wobei dort eine insgesamt größere Statik der Komposition vorherrscht, die eher ein ‚Beieinander‘ als eine Interaktion der Figuren inszeniert. Vital erscheint aber das aufwändig gefältelte Gewand der beiden Protagonisten.

  • Abb. 4 von 5 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Auch die Komposition der Geburt Christi ist durch eine gewisse statische Frontalität gekennzeichnet, wobei die Marienfigur im Vergleich zur Verkündigungsszene nahezu identisch wiederholt wird und die beiden Szenen damit eng verklammert werden. Ein fröhliches Detail sind die Köpfe von Ochs und Esel, die dem Betrachter über das Jesuskind hinweg entgegenschauen.

  • Abb. 5 von 5 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Ungewöhnlich für die Ikonographie der Darstellung der Moses-Szene ist die nimbierte Darstellung Gottes, der im brennenden Dornbusch erscheint, wohingegen Moses ehrfürchtig den Blick von ihm ab- und zum Betrachter hinwendet.