-
1 von 2
Die Steine werfenden Damen werden in der Inschrift als TRES SOR(RORES) GRA[TIAE] bezeichnet. Auf den Außenseiten ist das Medaillon links von einer Pflanze mit fünfzackigem Blatt, rechts mit einem eichenblattförmigen Gewächs umgeben.
-
2 von 2
Der Minnesänger Kristan von Luppin kämpft gegen einen Feind; zwei Personen bewerfen ihn vom Turm aus mit Steinen. Cod. Pal. germ. 848 Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), fol. 226v, ca. 1300 bis ca. 1340, Universitätsbibliothek Heidelberg
4. Medaillon: Drei Schwestern
Drei weibliche Figuren bekämpfen einen unsichtbaren Gegner, der sich links außerhalb des Medaillons befindet. Ihre Körperkonturen werden von langem, lockigem Haar umspielt. Alle halten jeweils eine Kugel oder einen runden Stein in der rechten Hand. Die mittlere hält ihn in abwartender Geste zwischen Daumen und Zeigefinger. Die beiden seitlichen Figuren verkörpern unterschiedliche Phasen einer kraftvollen Wurfbewegung. Trotz der unterschiedlichen Haltungen sind die drei Wurfkugeln in der Mitte des Medaillons in einer fast wappenartigen Konstellation versammelt. Auch die Farben der Haare und Gewänder sind abwechslungsreich variiert. Die rechte Figur zieht ihren Umhang vor den Körper, die linke hält ihn gerafft, so dass sie im geschürzten Kleid weitere Steine als Nachschub bereit halten könnte. Der Hintergrund ist in diesem Medaillon rot. Aus der Umschrift ist folgendes noch lesbar:...N...DVPLA DAT...VS...VT SPE RES BIC Q. Im Bildfeld liest man TRES SORORES GRA[TIAE|]
Die ikonographische Deutung gibt Rätsel auf. Die Zahl drei und die Beischrift im Bild verweisen eindeutig auf die drei Grazien und nicht auf eine im Trio kämpfende Tugendgruppe. Wunderlich nimmt dennoch die Personifikation von Tugenden an und sieht die Zahl drei durch die Aufstockung der fünf Medaillons zur klassischen Zahl von sieben Frauengestalten und Tugenden motiviert. Durch die Ausrichtung der Grazien nach links und durch die fehlenden Gegnerinnen im Bild scheinen sie recht eindeutig in die ersten drei Kämpfe einzugreifen. Die personifizierte Schönheit und Grazie scheint die Tugenden zu unterstützen oder kommt sie gar den unterlegenen Lastern zu Hilfe? Bereits die Frage unterläuft den moralisch vorgegeben Sinn eines solchen Bildprogramms. Die Deutung wird spielerisch verzögert und in den Verantwortungsbereich des Betrachters verlegt.