Carrow, Psalter und Stundenbuch, Ein Engel rüstet Adam und Eva mit Spaten und Spinnrocken aus, 1250, Buchmalerei.
Es gibt zahlreiche bildliche Darstellungen, welche die aus dem Paradies vertriebene Eva am Spinnrocken zeigen. Das Werkzeug wurde so zum typischen Attribut, welches die weltliche Arbeit der Frau charakterisiert. Die Arbeit der Stammmutter Eva hat einen moralisierenden Unterton, weil sie zu den Strafen gehört, die dem ersten Menschenpaar nach dem Sündenfall auferlegt wurden.
Henfflin-Werkstatt, Das erste Menschenpaar bei der Arbeit, um 1477, Buchmalerei.
Historienbibel, Vertreibung aus dem Paradies; Adam und Eva bei der Arbeit, um 1460, Buchmalerei.
Maria und Elisabeth an Spinnrocken und Garnhaspel. Jesus und Johannes der Täufer am Spiel, um 1400, Altarbild.
Das Motiv von Maria an der Kunkel hat viele Dimensionen: die metaphorische Auslegung des Spinnens als „inwendige Tätigkeit“ macht es zum Symbol für die vita contemplativa, die über den göttlichen Ursprung der Welt und die Lenkung der Heilsgeschichte meditiert.
Erfurter Meister, Maria in der Hoffnung am Spinnrocken, um 1380, Tempera auf Holz.
Auf dem Tafelbild Maria in der Hoffnung beobachtet der graubärtige Joseph durch ein Fenster der Kemenate unbemerkt die in das Spinnen versunkene Maria. Auf ihrem Leib ist das ungeborene Jesuskind in einem goldenen Strahlenkranz gemalt, über das Maria den gesponnenen Faden hinwegführt.
Vor allem Lieselotte E. Saurma-Jeltsch aber auch schon Werner Wunderlich haben daraus die These abgeleitet, dass die Weberinnen im Haus zur Kunkel ein weibliches Tugendideal propagieren. Die Bilder sollen demnach mit Bezug auf die Ikonographie der spinnenden Eva und Maria weibliche Rollenbilder und deren theologische Konnotation vor Augen führen. Auch adligen Frauen wird das Spinnen als kontemplative Beschäftigung empfohlen. Aus dieser Lesart leitet Saurma-Jeltsch ein Gesamtprogramm des Raums ab: die Weberinnen stehen demnach für die tugendhafte vita contemplativa, der Parzivalzyklus mit seinem Tugendideal eines christlichen Ritters für die komplementäre, aber ebenso positiv bewertete vita activa.