1452: Pilger und Laien in der Rotunde
Die Mauritiusrotunde wurde seit jeher von Pilgern besucht. Auf ihren Besuch war bereits Konrads Gründungsbau ausgelegt. Im Mittelalter wurde Konstanz bedeutendster Pilgersammelpunkt Süddeutschlands auf dem Weg nach Rom, Jerusalem und Santiago. Dass die Rundkirche als Gnadenort von Wallfahrern besucht wurde, legt der als Pilger dargestellte Jakobus am Heiligen Grab nahe: Er hält sieben ... mehr anzeigenDie Mauritiusrotunde wurde seit jeher von Pilgern besucht. Auf ihren Besuch war bereits Konrads Gründungsbau ausgelegt. Im Mittelalter wurde Konstanz bedeutendster Pilgersammelpunkt Süddeutschlands auf dem Weg nach Rom, Jerusalem und Santiago. Dass die Rundkirche als Gnadenort von Wallfahrern besucht wurde, legt der als Pilger dargestellte Jakobus am Heiligen Grab nahe: Er hält sieben Pilgerstäbe und mit Jakobsmuscheln verzierte Taschen in den Händen.Die Möglichkeit für Pilger, in der Rotunde Objekte zu verehren, wurde immer weiter ausgebaut. Sie konnten das gotische Grab umrunden und dabei auch vor der weißen Stein-Reliquie innehalten und deren (vermeintliche) Herkunft aus Jerusalem bestaunen. Eine Kniebank erlaubte es sogar, den Stein und das leere Grab Christi, das sich im Inneren an dieser Stelle befindet, von außen küssend zu verehren. Der Zentralbau wurde zum Ort der Partizipation am ‚Heiligen’. Dies belegt die Überlieferung eines abergläubischen Brauches im 15. Jahrhundert: Das gemeine Volk verehrte auch einen von Bischof Konrad in die Rotunde gebrachten römischen Inschriftenstein, indem sie ihn berührten und sich danach über das Gesicht fuhren, um seine angebliche Heilskraft zu übertragen.
Auch das Wandbild von 1452 spricht Pilger direkt an: Dies zeigt die auffällige Ähnlichkeit Joachims mit der Jakobus-Pilgerfigur am Grabbau. Joachims Rosenkranz und Annas Gabenkorb, dem sie dem Priester reicht, kennzeichnen die beiden als fromme und devote Pilger bzw. Kirchgänger. Ihr Vorbild ruft den Betrachter auf, ebenfalls Opfergaben darzubringen und den Rosenkranz zu beten. Im Gegenzug konnte er so vermutlich den Sündenerlass der Gregorsmesse erlangen und von der visuellen Gnadenwirkung des Schmerzensmanns profitieren. Die Rotunde war im Spätmittelalter also ein Ort der diesseitigen Gnadenerfahrung mit einem vielfältigen Angebot: Visuell, haptisch sowie performativ konnten Laien und Pilger hier Gnade erfahren, erwerben und verinnerlichen. weniger anzeigen