Die Heilung des Besessenen von Gerasa

Im ersten Bildfeld werden bereits einige für den ganzen Zyklus wichtige Merkmale eingeführt. Christus, am Kreuznimbus kenntlich, agiert stets von links nach rechts. Dadurch schließen sich alle Bilder zu einer einheitlichen Lese- und Laufbewegung zusammen, die am Eingang im Norden beginnt und nach einem Rundweg durch die Kirche an der gegenüberliegenden Seite endet.

Christus als größte ...

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Im ersten Bildfeld werden bereits einige für den ganzen Zyklus wichtige Merkmale eingeführt. Christus, am Kreuznimbus kenntlich, agiert stets von links nach rechts. Dadurch schließen sich alle Bilder zu einer einheitlichen Lese- und Laufbewegung zusammen, die am Eingang im Norden beginnt und nach einem Rundweg durch die Kirche an der gegenüberliegenden Seite endet.

Christus als größte Gestalt tritt meist von links in das Bildfeld ein. Ihm folgt die Gruppe der Jünger, die der weißhaarige Petrus mit Schriftrolle anführt. Christus und seine Jünger werden durch einen zweiteiligen Aufbau gerahmt. Anders als die gemalten Bauwerke auf der jeweils rechten Bildseite der Geheilten wirkt das Rahmengerüst mit einem oben verknoteten Tuch wie eine zusätzliche Ehrenform. Sie kann an die Auftrittsarchitektur im Hintergrund einer antiken Theaterbühne (scenae frons) erinnern (Koshi). Der Auftritt von Christus wird damit auf eine Art Überzeitlichkeit bezogen.

Die Gewänder haben im Zug der gotischen Übermalung ihre Farben gewechselt. Dennoch wurde ein übergreifendes System beibehalten. Christus trägt im Wechsel eine rote Tunika mit weißem Mantel, oder eine helle Tunika mit rotem Mantel. Die Interaktion mit den Geheilten und möglichen Bittstellern wird stets durch Richtungsbezüge und die Position von Händen im Bezug aus das Rahmengerüst veranschaulicht.

Das erste Bildfeld ist wie der ganze Wunderzyklus vermutlich um 930 auf den trockenen Putz gemalt und Anfang des 14. Jahrhunderts überarbeitet worden. Wie bei allen Bildfeldern mischen sich Malschichten aus verschiedenen Epochen (Abb. 3). Viele Konturen und Binnenzeichnungen sind durch spätere Übermalungen und die Freilegung der Malereien Ende des 19. Jahrhunderts unwiederbringlich verloren gegangen. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 5 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Tafel 76g

    Daemon proiicitur, Legio cui nomen inhaeret. / Tum porcos sub. Hi maris alta petunt.
    Der Dämon wird ausgetrieben, an dem der Name Legion haftet. / Dann fahren [die Dämonen] in die Schweine. Die stürzen sich ins offene Meer.
    (Transkription des Titulus und Übersetzung nach Walter Berschin)
    Bibelreferenz: Mk 5,1-14; Mt 8,28-33; Lk 8,26-34

  • Abb. 2 von 5 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Tafel 76g (Detail)

    Im ersten Bildfeld kommt der Besessene Christus fast bedrohlich nahe. Er ist muskulös und nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Mit machtvoller Geste greift Christus über das Rahmengerüst hinaus. Wie in einem magischen Feld reagieren die weiteren Akteure auf diesen Impuls: ein geflügelter Dämon entweicht dem Mund des Besessenen, seine gebundenen Hände verrenken sich nach hinten und weisen auf die Schweine, die im Begriff sind, sich zusammen mit den reitenden Dämonen ins Wasser zu stürzen. Rechts eilen zwei Hirten davon, die zu Zeugen des Ereignisses geworden sind. Die Vorstellung eines Weges, der aus dem Bild hinausführt, wird durch ein schräg gestelltes, angeschnittenes Haus unterstützt. Im Hintergrund sehen wir einen ummauerten Bezirk mit drei Gebäuden und einem Erdhügel.

  • Abb. 3 von 5 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Abb. 210b

    Ein Ergebnis der gotischen Übermalung sind die drei Schweine, die tot im Wasser liegen. In der UV-Fluoreszenz erscheinen unter dieser Bildschicht die Wellenwirbel, mit denen die Wasseroberfläche ursprünglich bedeckt war. Sie laufen unter den drei Schweinen weiter, die sich somit als nachträglich gemalt erweisen. Der Ausgang des Geschehens soll dadurch eindeutiger präsentiert werden und nicht allein der Vorstellungskraft des Betrachters überlassen bleiben.

  • Ein Gemälde in Mittelzell zeigt die Ursprungslegende der Insel Reichenau: Pirmin setzt vom heutigen Schweizer Ufer aus über und...

  • ... vertreibt die Schlangen in den Gnadensee. Im Wunder von Gerasa, bei dem die Dämonen über die Schweine ins Meer getrieben werden, schwingt also ein Bezug auf die Ursprungslegende der Insel Reichenau mit.