Die Heilung des Wassersüchtigen

Die zweite Szene des Wunderzyklus zeigt die Heilung des Wassersüchtigen. Christus tritt wieder unter einem architektonischen Überbau auf, gefolgt von den Jüngern. Seine wuchtige Figur steht dem gebrechlich wirkenden, von drei Personen gestützten Wassersüchtigen gegenüber. In diesem Gegensatz entsteht die Spannung der Szene.

Das ganze Bildfeld scheint sich um den geschwollenen Bauch des ...

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Die zweite Szene des Wunderzyklus zeigt die Heilung des Wassersüchtigen. Christus tritt wieder unter einem architektonischen Überbau auf, gefolgt von den Jüngern. Seine wuchtige Figur steht dem gebrechlich wirkenden, von drei Personen gestützten Wassersüchtigen gegenüber. In diesem Gegensatz entsteht die Spannung der Szene.

Das ganze Bildfeld scheint sich um den geschwollenen Bauch des Wassersüchtigen zu drehen. Er ist im Zentrum des Bildes, aber auch in der Mitte der flankierenden Figurengruppe positioniert. Sein aufgequollener Zustand steht im Kontrast zum abgemagerten Körper des Kranken. Ein auf Stelzen stehendes Haus hinterfängt die Figurengruppe. Die giebelgekrönte Stirnseite des Gebäudes akzentuiert den Wassersüchtigen, das schräg gestellte Satteldach die Figurengruppe zu seiner Linken. Durch die Schrägstellung wird die vertikale Achse als Wendepunkt betont. Die rechte Seite des Bildes bleibt leer. Hier kann man sich sowohl den Weg des Kranken und seiner Helfer aus dem Stadttor als auch die Rückkehr des Geheilten vorstellen. Diese doppelte Vorstellung von gegensätzlichen Richtungen wird durch den Titulus unterstützt. Der Moment des Wunders ist im Grunde genommen undarstellbar und wird nur durch ein „vorher“ und „nachher“ sichtbar. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 4 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Tafel 77g

    Obvius occurrens sanatur ydropicus unus. / Huc oneratus adit. Hinc sine fasce redit.
    Ein Wassersüchtiger kommt stracks den Weg entgegen und wird geheilt. / Beladen geht er hin. Von der Bürde befreit geht er zurück.
    Der Titulus unterstützt die Vorstellung eines unterschiedlich ausgerichteten „vorher“ und „nachher“ durch die Lokaladverbien „obvius“ „huc“ und „hinc“ und die Bewegungsverben „adit“ und „redit“.
    (Transkription des Titulus und Übersetzung nach Walter Berschin)
    Bibelreferenz: Lk 14,1-4

  • Abb. 2 von 4 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Tafel 77g (Detail)

    Die hochgeschlossene, mit weißem Kragen versehene Kleidung der Begleiter und ihre langen Bärte kennzeichnen sie als jüdische Gelehrte. Mit ihnen diskutiert Jesus in den Evangelien, ob am Sabbat geheilt werden dürfe oder nicht. Und Jesus fing an und sagte zu den Schriftgelehrten und Pharisäern: Ist's erlaubt, am Sabbat zu heilen oder nicht? / Sie aber schwiegen still. (Lk 14,3-4)

  • Abb. 3 von 4 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Tafel 77g (Detail)

    Im Gegensatz zum ersten Bildfeld, der Heilung des Besessenen von Gerasa, greift einer der Pharisäer in den architektonischen Rahmen um Christus hinein. Die aufdringliche Geste wird von der Segensgeste Christi beantwortet, der die Heilung vollzieht. Im Bild scheinen die jüdischen Schriftgelehrten Christus aktiv in ein Dilemma zwischen Heilung und Heiligung des Sabbats führen zu wollen, das sie selbst nicht auflösen können.

  • Abb. 4 von 4 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Tafel 77g (Detail)

    Christus ist mit gebeugtem Oberkörper dargestellt, was seine Zuwendung zum Wassersüchtigen kompositorisch unterstützt. Souverän löst er die Situation, indem er sich für die Heilung des Wassersüchtigen entscheidet:
    Welcher ist unter euch, dem sein Ochse oder sein Esel in den Brunnen fällt und der ihn nicht am Sabbat alsbald herauszieht? (Lk 14,5)