Damit liegt der Fokus des Wandgemäldes ganz auf der „Karriere“ des Titelhelden. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, enthält Wolfram Epos doch lange Passagen, in denen Parzival große theologischen Fragen aufwirft und einen verbitterten Kampf mit seinem Glauben führt. Obwohl das Fresko im Auftrag eines klerikalen Würdenträgers entstand, sind aber genau diese Episoden völlig ausgespart. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass dies mit einem neuen Selbstverständnis zusammenhängt, das in den Städten um 1300 aufkam. Der florierende Handel führte zu wachsendem Wohlstand und zu einem neuen Selbstbewusstsein, angefangen beim niederen Ministerialadel über den gebildeten Weltklerus bis zum städtischen Bürgertum. Sie wurden vom hohen Adel unabhängiger und ahmten zugleich dessen Lebensstil nach. So wurden adlige Ideale eines damals schon längst nicht mehr bedeutsamen Rittertums zu einer kulturellen Prestige-Angelegenheit, eine Art Spiel, in dem auch Städter und studierte Geistliche Bildung, Reichtum und Weltläufigkeit demonstrieren konnten. In Konstanz entstanden in jener Zeit in Bürgerhäusern Wandgemälde, die den heraldischen Stil und die ritterlich-nostalgischen Themen des Adels kopierten. Dass laut Bihrer (2007, S. 193ff.) mit Walter von Rossberg ein Emporkömmling unter den Chorherren von St. Johann Auftraggeber des Parzival-Zyklus war, passt besonders gut. Dieser konnte mit der Wandmalerei seinen neuen sozialen Status festigen und ein auch sakral auslegbares Thema in modischem Gewand präsentieren.