Portrait des Wolfram von Eschenbach im Codex Manesse
Cod. Pal. germ. 848, fol. 149v, Zürich, ca. 1300 bis ca. 1340, Universitätsbibliothek Heidelberg
Beginn des Epos in der Münchner Parzivalhandschrift G
Cgm 19, fol. 1r, Straßburg(?), zwischen 1228 und 1236, Bayerische Staatsbibliothek München
Der Text des Parzival, der sehr detailgetreu und bildhaft berichtet, erzählt eine kontinuierliche Geschichte. Im Zentrum steht der Lebensweg Parzivals von seiner Geburt bis zu seiner Berufung zum Gralsherrscher. Dem vorangestellt ist die Geschichte seiner Eltern Gachmuret und Herzeloyde. Die eingestreuten Kommentare Wolframs ergänzen die Erzählung, stellen einen Bezug zu seinem Leben dar und betonen das Exemplarische der Charaktere. In der Logik des Rittertums muss sich der Ritter die Liebe seiner Dame über die Tapferkeit im Kampf verdienen. Bereits Wolframs Epos leuchtet in diesem Rahmen die wechselvolle Beziehung der Geschlechter aus, eine Verschiebung des Fokus, die in der Szenenauswahl des Konstanzer Zyklus noch einmal gesteigert erscheint.
Im Gegensatz zur großen Textfülle des Epos kommen die Konstanzer Fresken ganz ohne Text aus. Auch die Bildstreifen erzählen eine Geschichte und müssen gelesen werden, funktionieren aber ganz anders als der Text: Zunächst ist nicht das gesamte Epos dargestellt, sondern lediglich eine Auswahl von Szenen aus den Büchern zwei bis sechs. Sprünge in der Erzählung müssen vom Betrachter mit Inhalt gefüllt werden. Ob dabei auf Wolframs Erzählung oder die eigene Phantasie zurückgegriffen wird, hängt in erster Linie von der Textkenntnis des Rezipienten ab. Die Bilder stellen daher in doppelter Hinsicht eine Neuinterpretation des Textes dar: bereits durch die Auswahl der gezeigten Szenen wird vom Maler ein bestimmter Aspekt hervorgehoben, nämlich der Weg des Parzival vom unbedarften Jungen zum Artussritter. Darüber hinaus bleibt auch für den Betrachter noch Spielraum bei der Konkretisierung und Deutung der einzelnen Szenen.