Heilig-Grab-Kapelle, um 1330

Die gotische Heiliggrabkapelle befindet sich in einer Wandnische im südlichen Seitenschiff. Innerhalb der reich geschmückten, spitzgiebeligen Architektur ruht der überlebensgroß dargestellte Leichnam Christi. Hinter ihm stehen drei Frauen, zwei mit Salbungsgefäßen, die Mittlere mit Buch, flankiert von zwei Engeln mit Weihrauchfässern. Als Hochrelief auf der Tumba ausgeführt, ruhen ... mehr anzeigenDie gotische Heiliggrabkapelle befindet sich in einer Wandnische im südlichen Seitenschiff. Innerhalb der reich geschmückten, spitzgiebeligen Architektur ruht der überlebensgroß dargestellte Leichnam Christi. Hinter ihm stehen drei Frauen, zwei mit Salbungsgefäßen, die Mittlere mit Buch, flankiert von zwei Engeln mit Weihrauchfässern. Als Hochrelief auf der Tumba ausgeführt, ruhen unterhalb der Jesusfigur fünf bewaffnete Soldaten.

Die Figurengruppe birgt eine räumliche, zeitliche, sowie emotionale Überblendung verschiedener Elemente der Ostererzählung. Der Körper des toten Christus ist von detaillierten Spuren seines Leidens gezeichnet. Er wird von schlafenden Soldaten bewacht. Damit sind Momente der biblischen Ostergeschichte aufgerufen, an die am Karsamstag erinnert wird. Der Besuch der Frauen am Grab, der mit der Freude über die Auferstehung des Heilands verbunden ist, gehört dagegen den Erzählungen des Ostersonntags an. Die Anwesenheit des Leichnams Christi ist in diesem Kontext unlogisch, da die Frauen der biblischen Geschichte das Grab leer vorfinden.

Als Andachtsbild, das zum stillen Gebet oder Nachdenken einladen soll, bietet die Heilig-Grab-Gruppe ihrem Betrachter nicht nur den Tod, sondern vor allem die Auferstehung. Eine solche Rahmung wird durch die Anwesenheit der teilweise sogar lächelnden Frauen, aber auch durch die Figuren auf der Wimpergbekrönung der Kapelle vorgenommen, von denen eine den bereits auferstandenen Jesus darstellt. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 8 - Bildquelle: Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg i.Br., Bildarchiv, Aufnahme Michael Eckmann

    Heiliggrabkapelle in ihrem Zustand von 2008
    Künstler unbekannt, vermutlich mehrere
    Datierung um 1330
    Jesusfigur (überlebensgroß; 2,18 m)
    Drei Frauen und zwei Engel (aus rotem Sandstein; 1,45 m)
    Fünf Figuren zwischen und neben den Wimpergen (1,18 m)
    Sarkophag (1,09m Höhe, 0,86 m Tiefe) mit fünf Soldaten im Hochrelief
    Die Rückwand mit Außenfassade wurde 1578 von Münsterbaumeister Hans Böhringer gefertigt. Die Seitenschiffwand wurde dabei durchbrochen und weiter nach außen versetzt.
    Die jetzige Positionierung der Figuren ist eine Rekonstruktion aus dem Jahre 1949.

  • Abb. 2 von 8 - Bildquelle: Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg i.Br., Bildarchiv, Aufnahme Michael Eckmann

    Gerade an der Frauengruppe wird die raum-zeitliche Überblendung besonders evident, da mit ihr auch ikonografische Ungereimtheiten verbunden sind. So kann es sich bei der mittleren Frau mit dem Buch um Maria, die Mutter Gottes, handeln, wenn man die Szene als Beweinung und Grablegung deutet (Linke 2011, S. 220). Aber auch die Deutung als Maria Magdalena ist möglich, wenn man darin den Besuch der Frauen (ohne die Mutter Gottes) am leeren Grab sieht (Kunze 1983, S. 63).

  • Abb. 3 von 8 - Bildquelle: Freiburger Münsterblätter (Hrsg. Münsterbauverein Freiburg i. Br.), 15. Jahrgang 1919, S. 1 (Ausschnitt)

    Aus den offenen Wunden der Christusfigur quellen plastische Blutströme als „Blutstrauben“. Die prominente Anordnung der Hände auf und nicht neben dem Körper des Leichnams lässt die Wunden um so deutlicher hervortreten. Der Körper wird damit zur Bühne, um die Passion nicht nur zu bezeugen, sondern auch emotional erfahrbar zu machen. Ähnlich wirkungsvoll werden die Wundmale Jesu auch an den Vierungspfeilern in einer Zweierkonstellation mit der Apostelfigur des Thomas in Szene gesetzt.

  • Abb. 4 von 8 - Bildquelle: Friedrich Kempf: Das Freiburger Münster, Freiburg 1926, Abb. 180

    Die fünf stehenden Figuren hinter der Jesusfigur wurden vermutlich am Anfang des 18. Jahrhunderts vom Heiligen Grab entfernt und erst ab 1910 an anderen Stellen im Freiburger Münster wiedergefunden. Die großen Engel besaßen ehemals ausladende Flügel. Unauffindbar und nicht zu rekonstruieren sind kleinere Engelsfiguren, die ursprünglich das Leichentuch an der hinteren Seite emporhoben (Kempf 1917, S. 4). Die unnatürliche Aufwärtsbewegung des Tuches ist noch immer zu sehen.

  • Abb. 5 von 8 - Bildquelle: Friedrich Kempf: Das Freiburger Münster, Freiburg 1926, Abb. 90 (Ausschnitt)

    Diese Aufnahme zeigt den Zustand der Heiliggrabkapelle vor dem zweiten Weltkrieg, ohne die 1949 wieder aufgestellte Figurengruppe. Die im Jahre 1825 angebrachten Fensterbilder der Gebrüder Helmle nach Druckgraphiken Albrecht Dürers sind hier noch intakt. Im Gegensatz zum Heiligen Grab, stellen sie die Passionsgeschichte als zeitliche Abfolge von der Dornenkrönung bis zur Auferstehung dar. Die vorausgehenden Szenen des Passionszyklus waren ursprünglich in der Abendmahlskapelle installiert.

  • Abb. 6 von 8 - Bildquelle: Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg i.Br., Bildarchiv, Aufnahme Michael Eckmann (Ausschnitt)

    Im Blattwerk an den Säulen der Heiliggrabkapelle kann man Masken und Fratzen erkennen. Sie erinnern an die Vorhalle des Freiburger Münsters und markieren auch hier eine Schwelle. Das Innere der Kapelle wird vom Rest des Kirchenraums abgegrenzt. Die optische Sichtbarkeit der Wundmahle verschränkt sich mit seiner Unantastbarkeit für den gewöhnlichen Bürger, der keinen Zugang zum Innenraum hat.

  • Abb. 7 von 8 - Bildquelle: Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg i.Br., Bildarchiv, Aufnahme Michael Eckmann

    In Freiburg wurde zur Osterliturgie eine Hostie im Brustkästchen der Jesusfigur deponiert und am Ostermorgen feierlich daraus geborgen. Zwei städtische Vertreter verwahrten solange die Schlüssel zur Kapelle bis 1669 ein Streit darüber ausbrach, ob man diese Aufgabe Laien überlassen dürfe. Schließlich musste ein Schloss am Brustkästchen angebracht werden, dessen Schlüssel ein Geistlicher hütete (Kempf 1917, S. 5-7). Das verdeutlicht nicht nur die Wechselbeziehung von Kunstwerk und religiöser Praxis, sondern auch die Relevanz solcher Bräuche für das städtische Leben.

  • Abb. 8 von 8 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Christus auf dem Esel ("Palmesel") im Freiburger Augustinermuseum, um 1490

    Neben der Einbindung von Heiligen Gräbern in der Osterliturgie, wurde in Süddeutschland auch Gebrauch von anderen Requisiten gemacht, um dem Volk das religiöse Geschehen begreiflich zu machen. Jesusfiguren auf Palmeseln, teilweise sogar mit beweglichen Armen, die auf rollenden Wägen in die Kirche gezogen wurden, waren während Palmsonntagsprozessionen nicht unüblich (Zinke 1995, S.40).