Gezeigt ist hier Parzivals Besuch bei Jeschute, der Gemahlin des Herzogs Orilus von Lalant. Sie ist in Wolframs Epos die erste Dame, der Parzival nach dem Abschied von seiner Mutter begegnet. Ein weiteres mal wird hier die dreiste Naivität Parzivals ausgemalt: Er dringt in das Zelt der vornehmen Dame ein, findet die wunderschöne Frau in Abwesenheit des Gatten schlafend vor und entsinnt sich der Ratschläge, die seine Mutter ihm mit auf den Weg gegeben hat: "Kannst du von einer edlen Frau Ring und freundlichen Gruß erringen, so greife zu, denn es vertreibt alle trüben Gedanken. Zögere nicht lange beim Küssen und schließe sie fest in die Arme." (Spiewok, Band 1, S. 219ff.). So schreitet Parzival ohne große Überlegung zur Tat, ringt der entrüsteten Jeschute Umarmungen und Küsse ab und stiehlt ihr schließlich ihren Fingerring und eine Brosche.
Entgegen der Beschreibung bei Wolfram erscheint die Umarmung im Konstanzer Bilderzyklus einvernehmlich. Weder ist ein Kampf zwischen der aufgebrachten Jeschute und Parzival zu sehen, noch liegt er zudringlich bei ihr im Bett. Parzival wird in der Jeschuteszene durch seinen Bogen identifiziert, er wird mit demselben Attribut wie bei der Jagd im Wald von Soltane gezeigt, allerdings lässt die Szene auch an den Bogen des kleinen Amor denken. Jeschute kann mit Herzeloyde in der ersten Szene verglichen werden: beide Frauen sind in einer Schauöffnung zu sehen und liegen in vergleichbarer Haltung bekrönt auf einem Bett unter einer roten Decke. Das symmetrisch wiederholte Motiv wirkt wie eine Klammer um die ersten sechs Szenen, die den jugendlichen, noch sehr naiven Parzival zeigen: Nach Mutter und Amme begegnet er seiner ersten „Geliebten“.